28. Juni 2018
Heute war der große Tag: die Fohlenschau! Die Pferde begannen ihren Tag wie gewohnt: Motzen, dass nicht rechtzeitig gefüttert wird (obwohl sie echt keine Hungerleider sind), sich kraulen lassen, das morgendliche Putzen geniesßen und sich dann wieder aufstellen zum Dösen - so dass man nirgends richtig ran kommt zum Misten.
Für mich begann der Tag ganz anders als sonst: Frühstücken in Rekordzeit (trotz Urlaubstag), ebenso in Rekordzeit Füttern und Misten, danach Einflechten und Putzen und nochmal die Hufe raspeln. Heu für Sandy herrichten, sie musste ja zuhause bleiben. Ich war schnell an dem Tag, zu schnell, denn es war noch nicht mal 10 Uhr und die Pferde wären fertig gewesen zur Abfahrt. Die war aber erst für 12:30 Uhr geplant - und nu? Versuchen, ruhig zu bleiben. Stimmt, das Abzeichendiagramm sollte noch gemalt werden. Bisher hatte ich nur auf Kopien geübt, damit das Diagramm auch wirklich richtig wird. Also roten Stift gesucht, nochmal auf einer Kopie angefangen - und es hätte Rudolph das Rentier sein können: Ein riesengroßer roter Fleck zierte die Nase, wo eigentlich nur eine kleine Schnippe eingezeichnet sein sollte! Ein Glück, es war wieder nur auf einer Kopie. Die Finger inzwischen auch knallig rot, der Stift lies sich nicht zur Kooperation uuml;berreden. Neuen Stift gesucht, musste ja rot sein. Gefunden, schreibt nicht. Anderen Stift, viel zu dick. Panik! Solche Sachen sind in meinem Zeitplan nicht vorgesehen. Zum Glück gibt es ja immer noch jemanden, der die Ruhe bewahrt, alle Schubladen und Schränke durchsucht und tatsächlich einen roten Stift findet, der schreibt und zwar saubere dünne Linien. Gerettet. Jetzt konnte das Diagramm was werden. Und immer noch so viel Zeit. Alle Sachen kontrollieren, Duschen, nochmal kontrollieren, erst halb Zwöf. Mittagessen. Endlich Zeit zum Verladen.
Jetzt machte sich die Übung bezahlt, das Verladen ging problemlos. Unter lautstarkem Protest von Sandy schlossen wir die Klappe und beschlossen, dass Sandy nicht in der Box eingesperrt wird. Eine letzte Kontrolle, ob ich nichts vergessen habe, dann ging es los. Ganz vorsichtig, denn - wie ich in einem Artikel im Internet gelesen hatte - ich hatte ja ein rohes Ei auf Zahnstocherbeinen im Hänger. Die beiden standen aber wie Profis. Man h&oouml;rte kein Getrappel von hinten. Schade, dass wir das mit der Kamera im Hänger nicht mehr hingekriegt haben. Ich war ziemlich angespannt und hatte nicht viel für die albernen "Lockerungsübungen" auf dem Beifahrersitz ürig, obwohl sie wirklich gut gemeint waren. Prompt haben wir uns auch zweimal verfahren, kamne aber allemal rechtzeitig an, die Fohlenschau hatte noch nicht begonnen.
Es war ziemlich heiß, wir haben deshalb sofort ausgeladen und uns etwas entfernt vom Geschehen aufgestellt, bis es Zeit für unseren großen Auftritt war. Also Auftritt von Classic und Lillith - das Führen überlies ich dieses Mal einem Mädel von den Jungzüchtern, die war einfach sportlicher unterwegs als ich. Sie hat das auch hervorragend gemacht, ebenso wie Classic und Lillith, die sich wirklich von ihrer besten Seite gezeigt haben. Da hatte ich unsere Kleine auch das erste Mal so richtig traben gesehen, denn bisher zeigte sie sich eher als Informatiker: Es gab nur 0 und 1 - nur Stehen oder Full-Speed (na gut, Schritt war auch mal dabei). Leider hat es dann doch nicht für eine Prämie gereicht. Wir sind trotzdem stolz auf unsere Kleine, in unseren Augen ist sie perfekt!
Anschließend ging es zum Brennen. In der Halle war es sehr laut, aber Classic und Lillith nahmen ihren ganzen Mut zusammen und gingen brav mit rein. Drinnen war ein Mini-Roundpen aufgebaut aus diesen Metall-Panels. Dann ging alles sehr schnell: Alle rein in diese Behelfsbox, Classic tritt versehentlich gegen die Panels und es scheppert ganz fürchterlich, also großer Satz zur Seite und alle (aber wirklich alle) auf der anderen Seite der Box zusammenquetschen, schnell wieder zur Seite sortiert, da war der Mann mit dem Brenneisen auch schon da und fertig. Lillith hat wirklich gar nichts davon mitgekriegt, sie hat nicht mal einen erschreckten Satz gemacht. Und dann waren wir auch schon fertig und verliessen diese unheimliche Halle.
28. April 2018
Heute haben wir die drei das erste Mal gemeinsam auf die Wiese gelassen. Das ging richtig richtig gut. Zuerst hatte Classic noch auf sehr großen Abstand geachtet, der aber mit der Zeit immer kleiner wurde. Und Sandy zeigte sich neugierig aber zurückhaltend. Aber setzte auch schon Grenzen (Pferde können das einfach besser als wir) und versuchte, die Kleine auf Abstand zu halten. Mal sehen, wie lange sie durchhält ... Lillith zeigte jetzt schon, dass sie nicht so einfach zu beeindrucken ist: "Ach, ich bin doch noch so klein und niedlich!", zeigt das Fohlenkauen und weicht keinen Zentimeter zurück.
Um es vorweg zu nehmen: Sandy war froh, als sie nach einiger Zeit wieder auf die andere Wiese durfte und der sichere Zaun zwischen ihr und der kleinen Nervensäge war.
Strom hatte die Kleine inzwischen schon kennengelernt. Aber sie brauchte einige Male, bis sie verstanden hat, dass der Zaun jetzt immer beißt, wenn man zu nahe kommt. Im Gegensatz zu ihrer Mutter drehte sie nur eine kleine Volte und schaute gleich nochmal, wer das wohl gewesen war.
22. April 2018
Bisher war Lillith immer die süße Kleine, so niedlich und zerbrechlich - man muss auf sie aufpassen. Seit heute wissen wir: Da muss Strom auf den Zaun. In ihrer unendlichen vertrauensvollen Neugier begann sie, am Stromband zu knabbern. Und was nichta auf den Bildern zu sehen ist: Sie ist auch einfach vorwärts marschiert - mal sehen, wie weit man kommt mit dem Band vor der Brust. Bei solchen Ambitionen müssen wir gegenhalten, auch wenn sie sooooo süß ist. Das wäre aus der Kategorie Worst Case, wenn das Fohlen plötzlich alleine auf der anderen Seite des Zauns wäre.
Classic und Sandy hatten uns in der Zwischenzeit überzeugt, dass sie wenigstens auf benachbarten Koppeln sein sollen. Größere Entfernungen sind aus ihrer Sicht einfach inakzeptabel.
20. April 2018
Das erste Mal auf der Wiese und gleich bei den ersten Hüpfern ausgerutscht. Aber das macht gar nichts, jetzt kann man dieses grüne Zeug mal aus der Nähe betrachtet, sonst ist es ja immer so weit weg. Kaum wieder auf den Beinen, geht die Hopserei weiter. Nur manchmal gehen die Hopser wortwörtlich nach hinten los. Man sieht jetzt schon, Angst kennt die kleine Lillith nicht. Sie ist total aufgeschlossen und unternehmenslustig - sehr zum Leidwesen der Frau Mama, die sich eigentlich auf gemütliches Grasen gefreut hatte. Und die Menschen sind auch komisch: Ständig reden sie von "Wir müssen aufrüsten." - nur weil der Zaun hier noch keinen Strom führt. Ist doch ok, so kann ich da ein bisschen rumknabbern, vielleicht ja auch mal sehen, was auf der anderen Seite ist. Oder noch ein bisschen galoppieren ("Warum ist meine Mama bloß so hektisch?"). Leider war der Ausflug nicht so ganz lang, weil Classic plötzlich merkte, dass sie eigentlich alleine ist. Na toll, mit Sandy geht nicht und ohne also auch nicht.18. April 2018 (2)
Der Tag begann früh - zu früh. Aber nichts hätte mich im Bett halten können. Nachdem ich tapfer der Frühstück überstanden hatte, ging es in den Stall. Haben alle die Nacht gut überstanden? Hat das Fohlen weiterhin gut getrunken? Wie geht es der frischgebackenen Frau Mama? Und was sagt überhaupt Sandy zum Neuzugang? War aber alles in Ordnung. Am Vormittag kam auch der Tierarzt, untersuchte und behandelte Mutter und Kind und beglückwünschte uns zu dem hübschen Fohlen. Nätürlich machte die Neuigkeit auch schnell die Runde (ok, ich gebe zu, ich habe da auch nachgeholfen) und im Laufe des Tages kamen auch die Nachbarn und Freunde und begrüßten das neue Mitglied der Dorfgemeinschaft. Und die Kleine zeigte sich auch überhaupt nicht schüchtern und zeigte sich von ihrer besten Seite.
Sie ist überhaupt eine sehr aufgeweckte und zutrauliche kleine Maus, die auch wirklich alles erstmal ausführlich untersuchen muss, bevor sie sich eine eigene Meinung bildet. Ja, und Zähne hat sie auch schon, das beweisen meine ersten blauen Flecken. Ich fürchte, es werden noch eine Menge mehr dazu kommen.
Heute haben wir uns auch für den Namen entschieden: Sie soll "Lillith Soul" heißen. Zur Bedeutung findet man verschiedenes:
- - abgeleitet aus der sumerischen Bezeichnung der Göttin Lildu (Göttin des Windes in großer Höhe) - ein Blick in ihre Zukunft als Springpferd
- - ab dem 9. Jahrhundert taucht Lilith als erste Frau Adams auf und war Ursache für die Vertreibung aus dem Paradies
- - im Feminismus Lilith zu einem Symbol als Gegenheldin zur biblischen Eva
- - im Bereich der Astrologie und Horoskope ist Lilith die mysteriöse, dunkle Mondgöttin
Dunkel und mysteriös ist sie ja nicht, aber ich glaube schon, dass sie nach ihrer Mutter kommt und zu allem eine eigene Meinung hat. Und das mit dem Springpferd hat sie schon eine Woche später bewiesen, als sie ganz selbstsicher zum Sprung über die Stallwand ansetzte und dann unsanft vom Windschutznetz zurückgehalten wurde.
18. April 2018 (1)
Nachts um viertel vor zwei ging der Alarm los. Zum Glück waren wir gut vorbereitet und die Kamera lief schon, ich musste nur noch die Aufnahme starten - man will den Augenblick ja festhalten. Auf den ersten Blick war nicht viel zu sehen, Classic lag halb aufgerichtet. Kurz darauf lies sie sich auf die Seite fallen und ich konnte zwei kleine Hufe sehen. Es sah gut aus, das Fohlen lag soweit richtig. Um die Stute nicht zu stören, beobachtete ich das Geschehen weiter über die Kamera. Kurz darauf stand sie aber auf, um sich erneut hinzulegen. Es tat weh zu sehen, wie schwer sie sich tat. Jetzt war ich auch nicht mehr so sicher, ob die kleinen Hufe in die richtige Richtung zeigten und bechloss, doch lieber im Stall bereit zu stehen. Also schnell in die Klamotten und leise ab in den Stall. Classic schwitzte und es schien mir, als wäre sie froh, mich zu sehen. Ein kuzer Kontrollblick: Alles gut, ich hatte mich getäuscht, die kleinen Hufe zeigten in die richtige Richtung. Ich snahm ihr noch schnell den Geburtsmeldegurt ab, und um sie nicht weiter zu stören, hockte ich mich still in eine Ecke der Box. Einen Augenblick später legte sie sich wieder hin, direkt vor mir in der Ecke. Als sie wieder presste, sah ich auch schon das Näschen, die Eihaut war schon aufgerissen. Und schon waren sie wieder da, meine Sorgen. Hoffentlich verschwand die kleine Nase nicht wieder und das Fohlen erstickte. Also habe ich die kleinen Füßchen festgehalten, damit das Fohlen nicht wieder zurückrutschen konnte. Erstaunlich, wie viel Kraft alleine für notwendig war.
Von da an ging es recht schnell, und um 1:56 Uhr flutschte das Fohlen auch schon raus. Naja, die Hinterbeide steckten noch halb drin, aber das störte das Kleine nicht. Schon begann sie, den Kopf zu heben und wollte sich aus dieser Fesselung befreien. Classic blieb noch eine Minute liegen und überlegte wohl, was da gerade mit ihr geschehen war. Dann richtete sie sich auf, blickte sich um und sah das Fohlen, und da war sie auch schon voll im Mutter-Modus. Leise brummelte sie und nahm Kontakt zum Fohlen auf. Wie gern hätte ich die beiden jetzt geknuddelt, aber ich wusste ja, da musste ich mich jetzt zurückhalten.
Nach einer schier endlosen Viertel Stunde, während das Kleine verzweifelt versuchte, auf die Beine zu kommen oder wenigstens irgendwie nach vorne zum Kopf der Mutter, stand Classic auf, die Hinterbeine des Fohlens rutschten nun ganz aus der Stute und die Nabelschnur riss - exakt wie im Lehrbuch. Classic drehte sich um, brummelte weiter und begann, ihr Fohlen trocken zu lecken. Das Kleine versuchte weiter ganz tapfer, auf die Beine zu kommen, aber irgendwie gehörten die Hinterbeine noch nicht so richtig dazu. Dabei legte es aber eine ziemliche Strecke in der Box zurück. Classic schaute immer wieder ganz verwundert auf diese kleine Wanderratte mit den Spinnenbeinen, brummelte, umkreiste das Fohlen, leckte weiter und ermunterte es zum Aufstehen. In der Zwischenzeit versuchte ich, die Nachgeburt hochzubinden - gar nicht so einfach. Noch ein kurzer Blick, um das Geheimnis zu lüften: Ein Mädchen! Um es vorweg zu nehmen, wir haben uns dann beim Frühstück für "Lillith Soul" entschieden.
Eine halbe Stunde nach der Geburt ging auch die Nachgeburt ab. Wir haben sie schnell weggerämt, damit der Tierarzt sie später auf Vollständigkeit untersuchen konnte. Die nächsten Minuten verbrachten Mutter und Tochter mit Trockenlecken, Motivieren (manchmal für menschliche Begriffe etwas rabiat) und vielen Aufstehversuchen. Zwischendurch kam Classic auch mal bei uns an um sich zu beschweren, weil die Kleine sich so anstellte. Aber noch war alles im Plan, noch kein Grund einzugreifen. Die Kleine musste sich also erstmal noch selber bemühen, was sie auch tat.
Nach einer dreiviertel Stunde habe ich dann doch die Nerven verloren, schließlich galt es, ein Zeitfenster einzuhalten. Wir sind in die Box und haben die Kleine auf die Beine gestellt. Sie machte auch gut mit und stand dann auf vier wackeligem und einem festen (ich) Bein und überlegte, was jetzt als nächstes kommt. Dann ein mutiger Schritt und sie plumpste wieder zu Boden. Aber so schnell lies sie sich nicht unterkriegen, jetzt wusste sie, dass es möglich war. Wir haben ihr nochmal geholfen und wollten sie dann auch Richtung Milchbar bugsieren. Das war aber komplizierter als gedacht, denn erstens tingelte Classic ständig um uns herum und blieb einfach nicht stehen, und zweitens kam die Kleine jetzt schon ganz nach der Mama - "Nö, ich kann selber entscheiden!" - und stemmte sich dagegen. Es dauerte eine Zeitlang, bis diese sehr mobile Milchbar endlich stehen blieb und die ersehngen Geräusche zu hören waren. Dann wollte die Kleine aber gar nicht mehr aufhören. Ab und zu schwankte sie noch und verlor den Anschluss, aber jetzt wusste sie ja, um was es ging und wo das leckere Getränk zu holen war. Classic blieb jetzt auch ganz geduldig stehen. Manchmal schwankte die Kleine zu doll vorwärts und marschierte dann einfach unter Classic's Bauch unten durch. Aber sofort ging die Suche nach der Milchquelle weiter. Das hatte sie dann auch schnell richtig gut drauf. Ich glaube, in der Nacht hat Classic nicht mehr wirklich geschlafen. Im Gegensatz zu uns: Nachdem ich um 4:30 Uhr die Neuigkeit und das erste Bild versendet hatte, fielen wir mehr oder weniger ins Koma. Aber schon bald klingelte der Wecker und ein fast normaler Tag brach an. Ein Glück, dass sie in der Arbeit so viel Verständnis hatten fü diese Ausnahmesituation!